Die große Reise in das große Land der Dichter, Schachspieler und Brennereien steht kurz bevor... mit einer Mischung aus Freude, Spannung, Aufregung und Neugierde werde ich nun ein Jahr, in der nördlichsten Millionen Stadt der Welt, St. Petersburg verbringen. Ich hoffe Euch an dieser Stelle regelmäßig etwas erzählen zu können ;) Möge das Abenteuer beginnen...

Samstag, September 09, 2006

Dem Arbeitslager in Weiß-Russland gerade so entkommen


Inzwischen bin ich wieder in Petersburg angekommen, doch die Zugreise von Petersburg sollte mich noch in eine sehr brisante Lage bringen.
An für sich war die Fahrt sehr angenehm. Das Abteil war sehr geräumig, eigentlich für 3 Personen ausgelegt, machten es sich Radek und ich gemütlich in unserem zu Hause für die nächsten 29 Std.
Gegen 23Uhr sollte das Abenteuer, an der polnisch weiß-russischen Grenze, beginnen. Wir wurden von unserer „Wagon-Führerin“ unsanft aus dem Bett gerissen. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass die Dame ca. 1,50 m GROß, mit einem straff nach hinten gezogenen Zopf und langem Rock ausgestattet war, sie stammte sicher noch , wie unsere Lock aus Sowjet-Zeiten.
Wie erwähnte stürme Sie in unserer Abteil, ohne zu klopfen oder ähnliche Ansätze und schreckte uns auf, dass der Zöllner gleichen kommen würde.
Der Zöllner durchstöberte unsere Pässe und blubberte ganz unscheinbar vor sich hin, ich sollte meine Sachen packen, weil bei mir kein Transit-Visum für Weiß-Russland vorhanden war. Ich nahm dieses erst nicht wahr, jedoch bei der zweiten etwas schrofferen und lauteren Aufforderungen schnappte ich meine Sachen und eilte ihm hinterher. Mit dem Gedanken bewaffnet, dass ich raushüpfe und schnell ein Visum „kaufe“ hatte ich kurzerhand nur einige Sachen von mir aus dem Abteil eingepackt.
Als der Zug jedoch vor meine Nase losfuhr, zur Erinnerung mitten in der Nacht, in weiß Gott wo im Osten. Als sich dann einige Zöllner mit, aus alten James-Bond Filmen bekannten, Kalaschnikows bewaffnet in meiner Nähe im Warteraum der Grenzwacht breit machten und mein Pass mit irgendeinem Zöllner unterwegs war, kam der eine oder andere Zweifel auf, ob es wirklich so eine gute Idee war das Studium im Osten anzufangen.
Nachdem Versuch dem Zöllner seine Entscheidung, mich vielleicht doch wieder in den Zug zustecken und alles zu vergessen, in Form von US-Dollar zu leichtern, scheiterte mit der Aussage „Jetzt nicht mehr“. In der Situation war mir die Aussage so nicht bewusste, doch im Nachhinein wird so einiges klar…
Knapp 3 Stunden vergingen, in denen mir klar wurde, dass ich wohl diese Nacht in Brest, verbringen würde. Brest ist die eine kleine Grenzstadt zu Polen, also einen Steinwurf entfernt zur Freiheit. Aber diese sollte ich an diesem Abend nicht genießen.
Der Zöller eskortierte mich bis zum Ausgang, weil ich die Nacht nicht in den sicheren Wartehallen des Zolls verbringen durfte… denn damit hätten Sie nix verdient. Der Zöllner erklärte mir noch, dass ich am nächsten morgen zur Polizei gehen sollte und dort ein Visum beantragen sollte. Ach ja, Passbilder, mussten auch noch her. na wunderbar.. das konnte was werden. Eine gute Nachricht gab’s dann doch noch, ich könnte am folgenden Tag mit meinem Ticket in den nächsten Zug nach Warschau einsteigen (wenn ich ein Visum habe;)

Am Bahnhofsausgang, so gegen 1.00 Uhr, stand dann auch ganz zufällig ein Taxifahrer der über alles bescheid wusste… welch Zufall. Er bot mir seine Hilfe an, ein Visum zu besorgen und eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. „ Mit mir geht das alles sehr schnell und günstig, weil ich viele Freunde habe“, so das versprechen. Wie viel Geld ich bei mir hätte, war die nächste Frage, weil er nicht glauben wollte, dass ich nur 50 $ habe. Mit meiner Antwort, 150$ gab er sich zufrieden. Nach einigen Telefonaten nach einer Schlafmöglichkeit, wollte er 120$ für seine Hilfe. Er würde Visum, Passbilder und Übernachtung zahlen. Ich bot ihm 75 $ an und auf 100$ musste ich einschlagen, um nicht aus dem Taxi geworfen zu werden.

Im „Hotel“ angekommen, sagte mein neuer Freund mir, dass er einen Platz auf seinen Pass gebucht hat, weil es mit meinem deutschen Pass um ein vielfaches mehr gewesen wäre…
Die „Deschurnaja“ (Aufsicht) führe mich ins Zimmer, ich wurde zuvor schon informiert, dass es ein zwei Personen Zimmer sein wird.

Mein Zimmergenosse, ein Russe aus Usbekistan, war sehr gesprächig und wir kamen schnell ins Gespräch. Ich wollte mir sein Wohlwollen sichern, um am nächsten morgen nicht mit einem Messer im Rücken aufwachen zu müssen. Jedoch war nicht so sicher. Denn als er meine Armbanduhr sah, frage sofort, „Ckolko stoit?“ – „Wie kostet das?“. Ich versuchte ihm schnell klar zu machen, dass es ein Duplikat vom Warschau Flohmarkt sei. Da lies sein Interesse schnell nach. Als ich versuchte unter der Decke den Wecker im Handy zu stellen, bekam er dieses zu sehen und frage direkt wieder „Ckolko stoit?“. Auch hier macht ich ihm klar, dass es quasi nichts wert sei, weil es aus einem Vertrag stammt und es inzwischen viele viele neue Modelle gibt. Auch damit gab er sich zufrieden. Als er dann noch nach meinem Wörterbuch fragte, wurde es mir langsam zu blöd, jedoch wollte ich es mir nicht verscherzen, und erklärte ihm, dass ich dieses für meinen Polizeibesuch am folgenden Tag benötige.

Um 6.00uhr morgens ging der Tag los, weil mein neuer Kollege beten musste. Geschlafen hatte ich nicht wirklich viel, weil ich ein wenig verkrampft im bett lag, unsicher über die Länge meines Aufenthaltes in Weiß-Russland.

Am morgen kam dann auch mein Freund der Taxifahrer und holte mich ab und es sollte losgehen Richtung: Freiheit….?!
Frühstück gab es nicht wirklich, ich kaufte mir nur eine kleine Flasche Wasser, weil ich nicht sicher war, wie viel Geld ich benötigen würde. Der Taxifahrer versicherte, dass ich durch ihn viel schnell zu einem Visum kommen würde, weil er viele Bekannte bei der Polizei habe.
Um eine evtl. Langeweile vorzubeugen, ließ er eine DVD laufen, jedoch ging es bei dem Film um irgendwelche Metzeleien.. wunderbarer Film für den frühen morgen.
Weil wir sowieso schon in der City waren, fragte ich meinen Kollegen, nach einer kleinen Stadtführung im Auto…
Mit den Bildern ging es dann direkt weiter zu Polizei. Vor Ort wurde ich mal wieder Verhört, warum ich denn ohne Transit Visum einreise.. Natürlich gab es direkt ne dicke Strafe, die wohl das Monatseinkommen eines Weißrussen übertreffen dürfte, aber was sollte ich machen, mich den Behörden widersetzen?!
Als nächstes ging es zur Bank um die Gebühren für das Visum zu bezahlen, die Strafe sollte cash bezahlt werden.. höchst merkwürdig..
In der Bank galt es ein ca. 2 Seiten langes Formular auszufüllen. Das ist das normale Formular für eine Überweisung, an dieser Stelle war ich relativ froh, meinen Freund den Taxifahrer zu haben.
Wieder bei der Polizei angekommen, das Visum vor Augen, stellte sich heraus, dass gerade heute ein neues Visumsystem eingeführt wurde (es war der 1.9.2006). Also war das Visum ungültig. Ich rechnete schon mit dem schlimmsten: wieder zahlen!
Aber nein, der Polizist war ein Freund des Fahrers und datierte das Visum einfach auf den Tag zuvor. Zuvor musste ich erst ma schriftlich notieren warum ich denn ohne Visum eingereist bin. Der Polizist stellte mir das Visum mit einer Gültigkeit von 3 Tagen aus, mit dem Kommentar, „dann kannst Du noch ein paar Tage mit Frauen verbringen“… aber nee, so schnell raus aus dem Land wie es nur geht.
Glücklich, über das Visum und das Ende dieses Abendteueres, ging es zum Bahnhof. Dort musste ich ein neues Ticket kaufen, weil meines irgendwie nicht mehr gültig war. Also wieder zahlen…..
Glücklicherweise, haben meine Eltern die weite Reise auf sich genommen und sind an nach Terespol gefahren (kleine Granzstadt an der Grenze), um mich abzuholen. Denn wer weiß in was für einen Zug die mich gesteckt hätten.
Gegen 14Uhr ging es dann mit dem Zug weiter Richtung Polen!
Auf der polnischen Seite angekommen, stürmte erst mal eine Truppe polnischer Zöllner in den Zug und nahmen fast den ganzen Zug auseinander auf der Suche nach Schmuggelwaren.

In Terespol war für mich die Reise auch schon zu Ende und ich stieg aus dem Zug und wurde herzlich von meinem Eltern empfangen. An dieser Stelle, noch mal vielen Dank für das Abholen


Fazit: Ein sehr teurer und unnötiger Aufenthalt in Weiß-Russland. Man ist den Behörden total ausgeliefert und muss sich beugen und hoffen, dass die sich nicht noch mehr Strafen und Probleme ausdenken um einen auszunehmen. Auf jeden fall hat das „Abenteuer Ost“ schon mal einen Höhepunkt.